Während er die Beiden ansah, eine andere Person die Baracke betrat, die Schreibmaschine einschaltete, ein Blatt einspannte, aber wieder wegging und die Tür offenließ, sah sich Abl auf dem Dach eines Hochhauses seiner Frau gegenüber, die vor ihm zurückwich bis sie an das Geländer stieß, sich hintüber bog, so weit, daß sie schließlich taumelnd, kopfüber fußvoran schreiend in die Tiefe stürzte.Abl rutscht tief. Aber Zwei griffen ihn mit vier Armen aus dem würgenden Schlund, gerade vor dem Engpaß mit den tausenden Messern. Sie waren gekommen ihn zu retten, und zu neuen Aufgaben, neuen Befugnissen, einem neuen Leben zu ernennen. Vom allerersten Augenblick an nannten sie ihn Andrea, und Abl getraute sich nicht, anzumerken, daß er mit dem Namen nicht recht glücklich werden würde. Dann nannten sie ihn „meine Andrea“ und ernannten ihn zum Dichter. Abl, der noch nie einen Gedanken an diesen Beruf gedacht hatte, auch im Traum nicht, empfand aber, die Zwei wüßten über sein ihm selbst verborgendes Innerstes Bescheid, war nur bemüht, den offensichtlichen Irrtum seines Namens zu klären. Sie aber schwächten Abls Wehr mit dem Hinweis, sie kämen von zentraler Stelle, mit Verfügung über alle erdenklichen Informationen. Er fragte, wer sie seien; natürlich hat er sie gefragt! Aber sie gingen erst darüber hinweg. Umständlich mußte er die direkte Anrede vermeiden, da er ihre Namen nicht kannte. Und nicht wußte, ob sie Wert auf etwaige Titel legten. Keiner der beiden erschien als Wortführer. Abwechselnd zogen sie seine Aufmerksamkeit an sich. Sie sagten, sie seien der Erzengel Gabriel, und somit für jeden wichtigeren Botendienst zuständig. Er legte es nicht darauf an, eine entsprechende Legitimation zu verlangen, dachte sich, sie würden ihn gekränkt anfahren und ihn ungehobelter Umgangsformen zeihen. Er war sehr verwirrt, indem er den einen, und dann den anderen ansah, und hatte seine Schwierigkeiten, zwei Personen als eine anzusprechen. Nebenher ging ihm einiges Unpassendes durch den Kopf. Er tat so, daß es ihnen gefallen sollte, war dabei aber ganz unsicher, ob er mit seiner Ernennung etwas zu tun haben wollte, und wieweit sie ernstzunehmen war.Der Wall, auf dem Abl hockt, kommt in Bewegung, als Abl aufstehen will um sich auf den Weg zu machen. In Gedanken schon dort, wohin ihn sein Blick im Hocken geführt hat, rutscht er auf dem bewegten Boden aus, und fällt hin. Der Boden ist warm, weich und haarig. Er befördert Abl, der nicht mehr auf die Beine kommt, auf eine Vertiefung zu, einen Trichter, ein Loch, einen Schlund, einen peristaltischen Trichter. In dieses Loch werden ganze Säue lebend hineingehaut. Abl erschrickt darüber, in dem Augenblick das Kommende zu wissen, und erschrickt, daß er, einen Augenblick in Gedanken, in eine ausweglose Lage geraten mußte. Rutschend und geschubst flucht er gegen den Unsinn, ganze Säue zu Brei zu verarbeiten.Zu Füßen des Hanges hält ein Lastwagen. Eine wuchtelige Frau steigt aus und schlägt die Tür zu. Sie öffnet die Verriegelung der Bordwand. Auf der Ladefläche steht eine mächtige Sau, die sich ins letzte Eck drängt. Die Frau läßt die Bordwand runterknallen. Die Sau zuckt zusammen und macht einen Buckel. Die Frau steigt auf die Ladefläche, packt die zitternde Sau am Ohr und schleift sie zum Rand. Sie springt hinunter, ohne das Ohr loszulassen, und lädt sich die strampelnde Sau auf. Sie steigt die breite gepflasterte Auffahrt hinauf. Mitten im Aufstieg hält sie inne, wirft die längst angststarre Sau zu Boden und setzt sich auf sie, hält sie damit fest und preßt ihr derart die Luft ab, daß das Schwein dunkle Schatten unter den Augen bekommt. Daß es aufhöre, erbärmlich zu schnaufen, schlägt sie ihm mit der Faust auf die Schnauze. Sie raucht und hockt so gedankenverloren wie Abl auf dem Wall. Sie sehen in dieselbe Richtung.Wie es heller wird, ist da nicht mehr der sich selbst überlassene Unterwuchs, aber bodenkriechender, wuchernder Wacholder. Eine weitläufige Parkanlage mit engen Panoramen. Böschungen voll gereihtem Einheitsginster Abgetretener Hangrasen. Ein ziegelgemauerter Aquaedukt, der aus nebelähnlichem Trauerweidengewölk hervorsteigt, einen Teich in seiner Betonpfanne überspannend. Schläfrige Schwanenscharen. Aufgeweichte Futterbrocken, tümpeliges Wasser. Abl steht am Rande einer Böschung, die ihm ums Haar einen tiefen Sturz beschert hätte. Steil fällt sie zu einem Pflaster hin. Das Dämmern dauert seine Zeit. Abl hockt sich hin.
|
blattlimwind Archiv |