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Die Pute, die Schule, und das Gewehr

28 (ENDE)

31/3/2017

 

Denn die Blöden sind in sich und durch sich, und aus sich werden sie geboren. Die Blöden sind sich einig, und entzwei mit allem anderen. So ist mein Aufgeben sinnloser als alles Aufbegehren. Meine Heimkehr ist einsamer als der Aufbruch. Über vieles denke ich noch nach, denn stets im Einschlafen sind die Gedanken am fruchtbarsten, wie der ausgetrocknete Boden nichts mehr hervorbringt und der Morast, der sich selbst über ist vor Feuchtigkeit, nichts hervorbringt als Gestank.

27 (vorletzter Abschnitt)

30/3/2017

 

Ich erkannte sie, wie sie dalag, und wollte ihr ein Wort als Bissen in den Mund schieben. Ich teilte ihre Lippen und öffnete ihre Zähne und schob den Bissen mit dem Daumen und mit dem Zeigefinger und berührte dabei ihre Lippen, die wie Baumrinden rieben, und berührte ihre Zunge, die dalag wie ein verendetes Tier, das seit Tagen so liegt. Mein Wort spie sie aus. Wenn ich auch nicht verstand, was sie dazu sagen wollte, verstand ich doch, daß sie nicht gefüttert werden wollte, daß sie gehen wollte, weil sie gehen müsse.
​
Das Gewehr hat man mir zurückerstattet, sosehr fürchtet man mich. Und die Zunge, die man mir ruhig hätte herausreißen können, hat man mir belassen, sosehr fürchtet man, was ich sagen könnte. Aber recht tut man. Da ich auf kein Wort mehr höre, werde ich auch kein Wort mehr sagen.  Das einzige, was ich anlächle, ist das Mondlicht. Es spricht. Mein Gewehr ist blöd, es kann nur ein einziges Wort, wenn das auch in jedem Raum anders klingt, ist es doch immer dasselbe Wort, und kann nur ein Einziges bewirken. Und die Schule ist auch ein einziger Laut, der sich jeden Augenblick wiederholt und fortsetzt. Wer ihn sich gefallen läßt, ist blöder als das Blödeste, das auf zwei oder vier Füßen kriecht und seinen eigenen Kot frißt. Die Menschen sind der Blödheit gegenüber unerschrocken, sogar gastfreundlich. So soll es wohl sein.

26

29/3/2017

 

Wie altes Brot zog sie sich zusammen und verhärtete sich. Sie lachte nie mehr. Sie lächelte etwas an, das weit über ihr hing. Ich zog sie an mich, wenn ich auch aufspringen und wegrennen wollte. Sie aber sah mich nicht.
Zwischen ihren Beinen trat blutiger Stuhl hervor. Ihren Füßen sah ich an, daß sie froren. Überall fror sie. Die Augen wollten nur ständig die Lider über sich ziehen, da sie froren. Ich sage, was ich sah und was ich dachte. Ihrem Atem nach schien sie von draußen aus dem Schnee gekommeh zu sein. Ihr Atem roch ganz nach Schnee. Ihrem Stuhl nach aber war sie zum Sumpf geworden, der sich solange zusetzt, bis er ganz verfault ist.
Jedenfalls schimmerte sie nicht mehr. So verstand ich den Regen. Daß er die Wellen beruhigt und auf die fett glänzende Erde niederkommt, natürlich des nächsten Lebens wegen. Aber die Erde kommt darin nieder, quillt und verschwemmt. Vom Mondlicht weiß man in Regennächten nichts. Noch viel weniger weiß man in Regennächten. Nicht einmal den Fuß kann man erinnern, der einem unter dem trägen Rumpf eingeschlafen ist. Man schläft in diesen Nächten ein und weiß nicht mehr, wann man eingeschlafen ist, und erwacht noch in derselben Nacht mehrmals, oder in der nächsten Nacht, die wie dieselbe ist, oder in einer Früh mit Sonne, und dann kann man wiederum die Regennacht nicht erinnern.

25

28/3/2017

 

Wie soll ich heute noch irgendetwas erhoffen, da ich all das nicht erhofft hatte und dennoch bekommen habe, die Mondfarbene nicht vorausgesehen oder gar ersehnt hatte, und sie sich dennoch neben mich gelegt hat. Aber nicht, daß ich mich später nicht einmal fragte, ob irgendjemand ihr ähneln könnte, sondern, daß sie neben mir erwachte wie Herbstlaub, das bereits am Boden liegt, wie das Licht in den Hohlwegen, und wie Kellerlicht, statt wie Mondhaut. Also war ihr Atem wie Stadtluft, und sie konnte nicht aufspringen und allem möglichen entgegensehen, sondern kauerte schwach in meinen Armen. Ihr Blick war durstig und konnte kaum einen Flügel heben. Sie wußte nicht, daß sie daran war zu sterben. Aber als ich es ihr sagte, so, wie ich es sah, nickte sie, und schob ihren Atem nur so schwach heraus, daß er mich kaum berührte; dennoch merkte ich, wie übel er war.

24

24/3/2017

 

Als ich träumte, sie stünde auf und ginge weg, schrie ich auf. Aber ich dürfte nicht beherrschen wollen, wohin sie ginge, oder warum sie bliebe. Also sog ich den Schrei wieder ein. So ein Schrei, der alles zersetzt, wenn er zurückgeholt wird. Er löste alles in mir auf bis auf die Haut, die stehenblieb wie sie es gewohnt war. In mir war dann nichts mehr, und es war finster. Auf meinem Kopf wuchsen die Haare und am Knie wölbte sich die Haut so, als sei darunter das Knie. Die Augen, wenn sie auch geschlossen waren, sahen aus, als würden sie sehen können, wenn die Lider geöffnet würden. Dennoch war nichts darunter. Man hätte nicht die Hand an meine Brust legen dürfen, weil die Haut aufgesprungen wäre, und die Leere darunter hätte die Hand in sich gerissen, und den ganzen Menschen mit sich genommen, und außerdem alle anderen Menschen, an die der Verzweifelte in diesem Augenblick hilfesuchend dachte. Es regnete aber, und so fiel meine Haut nicht in sich zusammen, sondern füllte sich mit neuem Atem. Als erste waren die Gedanken wieder zur Stelle, und ihre Lüsternheit, die Sehnsucht und neuer Hunger.

23

21/3/2017

 

Unsere Träume verständigten sich darin, daß wir führerlos und verloren seien, und tauschten untereinander das Wohnrecht. Oder trafen sich in mir, sie traumlos zurücklassend, und gingen später miteinander zu ihr. Sicher gingen sie aber auch gemeinsam ganz von uns fort. Ohne Traum lagen wir da und weinten ohne zu erwachen. Ihr Atem roch nach allem, was ich noch niemals gerochen hatte. Das weiß ich, kann mich aber an nichts erinnern, außer an den Geruch feuchter Erde und den Eindruck, als atme ich tiefes Meerwasser. Einmal schien es mir, als ich beinahe erwachte, als berührte sie mich mit einer dritten Hand, dann wieder war mir, als beugte sie sich wach über mich, sodaß ihre Haare unsere Gesichter einschlossen. 

22

19/3/2017

 

Über ihre Vergangenheit wußte sie nichts, und über mich wollte sie nichts wissen. Sie konnte sich nicht erklären, wovon ich sprach, wenn ich, sicher wegen der schlaflosen Nächte, und weil ich seit langem nichts gegessen hatte, über unsere Zukunft anfing. Sorgenvoll. Sie wußte, daß ich bekümmert war, und tröstete mich. Aber sie wußte nur was war, nicht was sein würde. Sie erkannte, daß wir essen und schlafen sollten. Also aßen wir, wie alles, worin sie war, ohne jedes Maß. Danach schliefen wir, und ich träumte, daß wir dalagen und schliefen, und Wärme austauschten oder Kühle, da, wo wir einander berührten. Oder einander zu weiterem Schlaf ermunterten, während die Nacht unsere von einander abgewandten Seiten auskühlte, oder die Sonne alle Gegenden des Körpers überhitzte, die nicht den anderen berührten. 

21

13/3/2017

 

So küßte ich sie, und kühlte mein Gesicht an ihrem Arsch, und lachte, wie es kitzelte, als sie über meine Lenden herfiel und ganze Stücke meines Fleisches in sich hineinschlang. Ich hatte kein Bedauern, nichts fehlte mir, wenn sie gierig an mir fraß. Ich hätte noch viel mehr geben können. Sie schmeckte nach Blut, nach meinem Blut, ihre Zähne aber waren weiß wie je zuvor, und sie lachte, daß ihr Atem über den Geschmack meines Blutes in ihrem Mund hinstrich und mich einen Wind riechen ließ, den ich nie gerochen hatte, und ich nicht hätte sagen können, aus welcher Weltgegend er herkam, wo er sich erhoben, über welche Erdteile er hingegangen war, ob in seinem Gefolge Regen, Hagel oder Dürre sein würden. In ihrem Lachen lag die Zunge, die nur einem Menschen gehören durfte, dem ich, der mir ganz und gar gehörte. Ansonsten hätte sie mich krank und verrückt gemacht. Die Zunge war ein Teil des Lachens und darin eingebettet, während ihr aber die Lust innewohnte, über mich hinzuschlecken oder sich einzurollen und zu schlafen.

20

12/3/2017

 

Die Mondfarbene hatte nämlich nicht nur eine eindeutige Gestalt. Vielmehr widersprach sie sich als Schatten und Licht. Meine Augen konnten sich an ihr Dunkel nicht gewöhnen, bevor sie wieder Schatten warf. Sie lachte, als ich sie beschrieb, und ich lachte mit ihr, als sie wiederum aussprach, was sie an mir sah, das ich nicht im Geringsten an mir kannte, daß ich nämlich in ihrer Gegenwart nicht anders konnte, als mich ständig zu verändern. Ich bin überzeugt: hätten mich in ihrer Gegenwart ein Messer und mehrere Kugeln durchbohrt, ich hätte mich nicht besonders geängstigt, es hätte mir nicht sonderlich zu schaffen gemacht. 

19

3/3/2017

 

Wie sie mir zuhörte hatte mir noch nie und hat mir nie wieder ein Mensch zugehört. Wenn sie aber sprach, war es, daß sie um meine Worte herumlief und hüpfte, ihnen folgte und vorauslief. Was ich aber in ihrer Gegenwart sprach, hatte ich vorher noch nie gesagt, nicht einmal gedacht. Indem ich sie aber ansah oder sie ohne sie anzusehen neben mir genoß, spürte ich die Worte in mir fließen und herauskommen. Niemals als in dieser knappen Zeit ist irgendetwas lebensfähiges aus mir hervorgekrochen, was nicht binnen kurzem verreckt wäre, wenn es nicht sowieso schon tot war, oder schon lange vor seiner Zeugung in meinen Eingeweiden verfaulte. Niemals wäre etwas aus mir geflossen, wäre zur Erde gesunken und hätte dort sich selbst noch ein weiteres Mal hervorgebracht, um seine Fruchtbarkeit zu verdoppeln und den Boden zu veranlassen, alles hervorzubringen, wozu er imstande ist, oder wäre, kaum ins Freie gelangt, sofort auf und davon, nichts hinterlassend als die Freude seiner Flucht weniger als einen Augenblick lang beigewohnt zu haben.

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