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Der Rikschafahrer

9 (Ende)

26/4/2017

 

Auf ebener Strecke fuhren wir neben Automobilen und überholten sie. Bergab stürzten wir, aber auch Steigungen nahm er, daß ich nicht glauben konnte ein Körper und seine zwei Beine und eine menschliche Lunge schafften uns voran. Wir fuhren eine zeitlang hinter einem rußenden LKW. Endlich, das beschwöre ich wie alles andere, scherte er mit einem Fluch aus, stieg derart in die Pedale, daß das Vorderrad über dem ich saß in die Luft stieg. Das hinderte ein Taxi nicht uns zu überholen und dabei beinah unter den Lastwagen zu drängen. Der Rikschafahrer schimpfte, drohte nach vorne, zur Seite und nach hinten, daß wir ziemlich schlingerten. Dann aber besann er sich und hatte nur noch das „Schwein“ vor Augen, wollte ihn um jeden Preis wieder überholen. Ich habe ähnliches nie zuvor erlebt. Mit welchen Kräften stand der Mann im Bunde? Die guten Geister jedenfalls, falls sie sich je in seiner Nähe aufgehalten haben, müssen ihn in diesem Augenblick verlassen haben. Er wollte nur noch das Fahrzeug zu Tode hetzen. Sicher fuhren wir weitläufige Umwege hinter dem flüchtenden Taxi her, dessen Fahrer sich anfangs noch überlegen gefühlt haben wird. Ein paar Mal hatten wir ihn schon überholt und versucht ihn auszubremsen, aber er hatte uns wieder überholt, und schließlich war der Rikschafahrer dazu übergegangen ihm nur noch dicht zu folgen.

8

25/4/2017

 

In einer Seitenstraße rief ihn einer an und wir hielten um eine Kiste Bier aufzunehmen. Mein Rikschafahrer war so vergnügt und stieg in die Pedale, daß es mir den Kopf zurückbog. Er aber fing mein Hinterhaupt mit seiner Stirn auf und balancierte mich so lange bis wir ordentlich Fahrt aufgenommen hatten, und die Beschleunigung, sein Treten und das Schwanken des Fahrrads sich beruhigt hatten; bis wir nur noch dahinschossen, in Kurven gingen, dabei manchmal auch schlitterten, uns aber immer auch wieder fingen und weiterfuhren, als sei alles nur ein Tanz; jeder Rutscher ausgemacht, und jedes Hindernis eine Freude. Lacken ließ er sich nicht entgehen. Er warnte mich, oder wies mich auf die bevorstehende Freude hin; fuhr nötigenfalls Schlingen um keine Pfütze auszulassen.
Einmal hatte er allen Grund sich zu entschuldigen. Er entschuldigte sich aber keineswegs. Ganz verändert war er, gebückt und geknickt. Er hatte stark gebremst, daß wir rutschten, an den Randstein prallten und es mich vom Rad warf. Es geschah mir nichts. 

7

23/4/2017

 

Kurz darauf nahm ich auf der Lenkstange eines Fahrrades Platz. Der Fahrer trat mit Energie, ich will schon sagen mit Wollust in die Pedale. Seinen Atem spürte ich in meinem Nacken. Er sah manchmal links, manchmal rechts an meinem kopf vorbei. Die Kurven nahm er scharf. Mit der Zeit gewann ich ein Gefühl dafür wie er dahinfuhr. Daß er sich zwischen Autos und Bussen hindurchzwängte, an Hindernisse, etwa an sich verlangsamende Fahrzeuge mit einer Affengeschwindigkeit heranfuhr und es genoß so spät wie noch möglich zu bremsen. Zweimal berührte meine Nase die dreckige Hinterseite eines Busses. Mehrmals berührten meine Knie ein Fahrzeug vor uns. Dabei sang er. Wenn sich nichts weiterrührte, zog er eine Zeitung unter dem Arm hervor und las. Er las murmelnd. Die Zeitung lag auf meinem Kopf. Hie und da sagte er etwas zu mir. Manchmal sprach er auch hinter sich. Daraus schloß ich, daß er am Gepäckträger noch einen Fahrgast sitzen hatte. Wie konnte dieser Mann solche Kräfte freimachen, die es ihm erlaubten, zwei Menschen zu befördern, dabei aber so zu beschleunigen, daß er Autos überholte? Natürlich wurde sein Atem in meinem Nacken dabei sehr heiß. Hie und da stieß er Sprüher von Spucke hervor. Die wiederum kühlten. Jedenfalls überholte er dahinrasende Autos oder schoß zwischen Schlangen stehender Fahrzeuge dahin, fuhr sogar Treppen hinunter, wobei ich bei jeder Stufe meinte, abgeworfen zu werden, dermaßen vornüberhing, daß ich sicher war, keine Rettung bestünde mehr jetzt. Er aber fuhr dahin, warf da ein Wort zur Seite zu einem oder spuckte aus oder sang seine Lieder weiter.

6

21/4/2017

 

Meine Rettung war ein Rikschafahrer, der neben mir hielt und mir anbot mich für billiges Geld an jeden Ort zu befördern. Der Mann brach noch in Rufweite des Bahnhofs zusammen. Als ich abstieg, wirklich in Sorge, denn ein sich aushauchendes Leben ruft immer mein ganzes Mitgefühl und meine Hilflosigkeit hervor, konnte ich nur feststellen, daß ich mit einem Leichnam und einer Rikscha im Verkehr stand. Die Busse drängten so knapp vorbei, daß mich einer streifte und auf die Leiche warf. Der lag so zufrieden hingerafft vor seinem Wägelchen, als hätte er sich Wochen, Monate schon dahingezwungen, um nur bei der Beförderung eines mitfühlenden Fahrgastes zu sterben.

5

20/4/2017

 

Unglückliche Menschen! Manche fand ich noch an ihrer Haltestelle vor nachdem ich den ganzen Platz umstreift hatte, sah sie zusehen wie ihr Bus abfuhr, sah sie noch warten, als schon mehrere Busse der Linie abgefahren waren. Andere warteten da in aller Seelenruhe, bestiegen den Bus, stiegen aber hinten wieder aus und stellten sich wieder zum Warten hin. Andere standen an einer Haltestelle, liefen wenn ein Bus einfuhr zu einer anderen Haltestelle, eilten aber womöglich, wenn sich an einer bisher nicht beachteten Haltestelle ein Bus zur Abfahrt anschickte, dort hin, um sich im allerletzten Augenblick durch die sich schließenden Türen zu zwängen. 

4

19/4/2017

 

Was die einen mir mit zwei Worten hinwarfen, worauf sie ihren Mund niemals mehr öffneten, erklärten mir die anderen weitläufig und gewandt, daß sie nichts wüßten, daß man aber aus dem Umstand der Unkenntnis nicht den Unwillen über de Fragen ableiten könne, daß man nicht annehmen dürfe, daß sie völlig orientierungslos ihre Zeit abwartend auf dem Bahnhof verbrächten, oder einen beliebigen Bus besteigen würden, aber auch nicht, daß sie das Ziel irgendeines oder des von ihnen ausgewählten Busses benennen könnten. Worauf mir dann einer erklärte, daß ja die Busse hier, ihrer Ziele, vor allem aber der Namen all der von ihnen angefahrenen Stationen so viele seien, und die Namen einander derart ähnelten, daß man kaum verlangen könne, ein Mensch sollte sie alle unterscheiden oder gar fehlerlos hersagen können. Ich fand aber Männer, die die Haltestellen einer Linie aufsagen konnten, sowie alle Abfahrts- und Ankunftszeiten. Sie sagten aber nicht, wohin sie unterwegs waren, und wenn ich sie barsch fragte, waren sie unsicher, ob sie die Linie tatsächlich benützen wollten. Ich habe nie mehr Ungereimtheiten versammelt gefunden als auf dem Busbahnhof.

3

16/4/2017

 

Vielleicht muß ich noch einmal sagen, daß tatsächlich Menschen an den Haltestellen warteten, in Busse einstiegen, und in abfahrbereiten Bussen saßen, die auf meine Fragen nicht antworteten, abgewandt beim besten Willen mich nicht wahrzunehmen, oder sich mir zuwandten und beschworen, sie wüßten weder, wo der Bus zu meinem Ziel zu finden sei, was ich ja verstehen konnte, die aber beteuerten, es sei ihnen unmöglich herauszufinden, wohin sie der Bus bringen werde, auf den sie warteten oder in dem sie bereits saßen. Es war ihnen unmöglich mir mitzuteilen welches Ziel sie anstrebten. Natürlich aber, so versicherten sie mit der allerehrlichsten Miene, seien sie auch nicht blöd, und würden sich nicht ohne Weiteres irgendeinem Bus mit unbekanntem Ziel anvertrauen, auch seien sie weit davon entfernt, sich mit mir einen Spaß zu erlauben. 

2

15/4/2017

 

Mein Anruf gelang nicht. Die Leitungen waren überstrapaziert oder vermittelten zu falschen Teilnehmern. Der Anschluß meiner Mutter war immer nur besetzt. Um dem Muttertag gerecht zu werden machte ich mich auf den Weg, aber es war kein Taxi zu bekommen. Am mir höchst unvertrauten Busbahnhof fand ich keinen Bus nach „Herbst“. Die Fahrer, die Fahrgäste auf den Warteinseln, oder jene, die schon Platz genommen hatten, gaben kaum Auskunft oder schickten mich zum einen und dem nächsten Ort. Es gelang mir nicht, einen Bus zu finden, dem ich vertraut hätte, mich an mein Ziel zu bringen. 

1

14/4/2017

 

Ich mußte schnellstens Weges von „Freude“ nach „Herbst“ gelangen. Halb „Freude“ und fast ganz „Herbst“ waren zu bewältigen. Meine Wohnung liegt praktisch an dem „Herbst“ entlegensten Ende von „Freude“. Wochenlang war der notwendige Brief an meine Mutter nicht zustandegekommen. Am Vorabend des Muttertages stand mir noch die Möglichkeit eines Anrufs vor Augen, gefürchtet und gehaßt von beiden von uns.

     

    blattlimwind 
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